Die Musical-Gala mit Roberta Valentini, Ana Milva Gomes, Thada Suanduanchai & Armin Kahl
Freitag, 11. Februar 2011
Tübingen
Ja, ihr habt richtig gelesen. „Franken goes Musical“ hatte seine Premiere mitten im schönen Schwabenländle. Diese klitzekleine Auflockerung der geographischen Grenzen ist aber leicht zu verzeihen, denn den schwäbischen Musicalfans wurde eine ganz wundervolle Musical-Gala präsentiert – und natürlich gibt es auch im Schwabenländle Menschen mit fränkischen Wurzeln, die dort ihr diasporisches Leben fristen und sich unheimlich über eine Musical-Gala von Franken für Franken (und natürlich auch alle anderen!) freuen – meine Wenigkeit zum Beispiel.

Zunächst schien die Gala aber unter einem ungünstigen Stern zu stehen. Bei der Organisation der Plakatierung und Werbung in Tübingen war etwas fürchterlich schief gegangen (es wurde anscheinend am falschen Ort für den falschen Zeitpunkt geworben), und darüber hinaus waren am Premierenabend nicht vier fränkische Musicaldarsteller fit für die Bühne, sondern nur drei von ihnen – leider war Zodwa Selele krank, was ich auch besonders deswegen schade fand, weil ich so gerne mal ein bisschen etwas von ihr live als Deloris gesehen hätte!
Aber zu den drei Franken, die sich alle noch von der fränkischen Schauspielschule kannten – Armin Kahl, Thada Suanduanchai und Roberta Valentini – gesellte sich dafür eine uns wohlbekannte Holländerin (gut, eigentlich sind ihre Eltern ja aus Afrika^^): Ana Milva Gomes. Also ein glanzvolles kleines Ensemble, das auf einen unvergesslichen Abend hoffen ließ.
Der Veranstaltungsort in Tübingen war ein recht kleiner Saal, und leider dennoch nicht besonders voll, was wohl auf das obige Problem zurückzuführen ist. Ich schätze, es waren nur etwa 40-50 Leute da – hauptsächlich Fans und Freunde der Darsteller, die auch ohne Werbung mitbekommen haben, wann die Gala wo stattfindet – ein kleines Publikum, aber mit großer Begeisterung!

Wer bereits beschlossen hat hinzugehen, sollte hier jetzt unter Umständen aufhören zu lesen, damit ich ihm die tollen Überraschungsmomente nicht nehme

Eröffnet wurde das Programm mit „42nd Street“, dann gab es erst einmal einen Klassiker-Block, in dem mir Roberta mit sexy roter Federboa ganz besonders gefiel, als sie „Hey big spender“ sang.
Weil sich Roberta, Armin und Thada bei „Les Misérables“ kennengelernt haben, gab als nächstes jeder der vier Darsteller ein Lied aus diesem großartigen Musical zum Besten: Thada ein gefühlvolles „Dunkles Schweigen an den Tischen“, Armin eine sehr emotionale Version von „Valjeans Entschluss“, Roberta „Nur für mich“ (ich wollte dieses Lied immer schon mal von ihr hören, weil Eponine ja ihre allererste Rolle war) und Ana „I dreamed a dream“ – beide Lieder wunderschön gesungen und wirklich berührend.
Im Anschluss an diese traurigen Nummern sorgte Armin in seiner Paraderolle als Putzfrau (diesmal war sie Fränkin und hieß Renate) für Aufheiterung, indem er Ana erst in genialstem fränkischen Dialekt interviewte und dann von der Bühne vertrieb, um bei „Mit 66 Jahren“ kräftig abzurocken und das Publikum auch sehr erfolgreich zum Mitsingen zu animieren.
Anschließend war „Wicked“ an der Reihe und leider „nur“ mit „Solang ich dich hab“ vertreten, denn ich hätte sehr gerne wieder Robertas geniale Interpretation von „Gutes tun“ gehört – aber „Solang ich dich hab“ war sehr schön romantisch gesungen von Roberta und Thada (ein asiatischer Fiyero hätte doch echt auch mal was!), allerdings war es meiner Meinung nach nicht das schönste Liebesduett des Abends, das kam erst im 2. Akt

Da man nun schon einmal bei den „Stuttgarter“ Musicals war, trugen Roberta und Armin auch noch „Totale Finsternis“ vor. Das war wirklich interessant, weil beide vom Typ her so gar nicht in die eigentlichen Rollen passen (Armin ist viel eher der dynamische junge Held als der stattliche ehrwürdige Graf, und Roberta viel eher eine verführerische Powerfrau als eine unschuldige kleine Wirtstochter

Und weil ja schon so ziemlich jedes Musical schon einmal in Stuttgart gespielt hat, durfte natürlich auch „Elisabeth“ nicht fehlen. Armin legte ein herrlich zynisches „Kitsch“ aufs Parkett, und danach durften wir einem „Ich gehör nur mir“ von Roberta lauschen. Ihre Version war wirklich schön, ich finde, Roberta schafft es perfekt, allein durch ihre Stimme unglaublich viele Gefühle zu übermitteln.
Zum Abschluss des 1. Akts gab es dann aber noch ein paar richtig abgehende Nummern: Armin mit „Tragedy“ (was für ein tolles Lied!), Ana mit „One night only“ (wenn „Dreamgirls“ jemals in Deutschland aufgeführt wird, wäre Ana sicherlich die perfekte Effie) und als glorreicher Abschluss der „Time Warp“, bei dem der arme Thada in Unterwäsche den Brad ganz ohne Janet geben musste

It’s just a jump to the left …

So schön dieser 1. Akt auch war, der 2. konnte ihn noch toppen.
Er begann mit einer großartigen Kurzversion von „Aida“, ich nenne es deshalb Kurzversion, weil die Lieder nicht einfach aneinander gehängt wurden, sondern sogar inhaltlich-logisch miteinander verknüpft waren. Roberta begann als Amneris mit der rockigen letzten Strophe von „Jede Geschichte handelt von Liebe“, die dann nahtlos überging in ein tolles „Alles für Ägypten“ von Armin – man hat schon gemerkt, dass Radames „seine“ Rolle ist, er ist gleich so richtig darin aufgegangen! Gleich darauf kam Thada als Mereb mit Ana als Aida und sang „Ich kenn dich“ – dieses Lied mag ich ohnehin sehr gerne und Thada hat es wirklich klasse gesungen. Aber es kam noch besser: Nämlich das Quartett „Nicht ich, ich nicht“ (ich liebe dieses Lied wirklich, hatte aber gedacht, dass man auf einem Musicalkonzert üblicherweise höchstens Duette singt – ich habe mich sehr gerne eines Besseren belehren lassen!


Nach „Aida“ blieb es mit „Tarzan“ und „König der Löwen“ exotisch. Armin hatte seinen großen Auftritt als Tarzan – schon allein wegen des tollen Tarzan-„Kostüms“ war er große Klasse^^ – gemeinsam mit Roberta als Jane (was für eine unwirkliche Vorstellung …) und sangen „Auf einmal“, wobei sie wirklich sehr schön miteinander harmonierten. Und Armins Affenbewegungen waren ohnehin der Brüller

Noch romantischer wurde es im Anschluss mit „Kann es wirklich Liebe sein?“, gesungen von Ana und Thada. Was für eine wunderschöne Interpretation dieses Songs! Es hat mich wirklich berührt. Mein Lieblingsliebesduett des Abends

Die folgenden beiden Titel lösten bei uns schon bei ihrer Ankündigung überraschten Jubel aus: „Don’t do sadness“ aus „Spring Awakening“ und „Take me or leave me“ aus „Rent“! Ersteres wurde von Thada und Roberta interpretiert. Thada singt zwar ganz anders als der Sänger auf der Broadway-Aufnahme (viel weniger rockig), aber das gab dem Lied wirklich eine interessante neue Färbung (andere Versionen kenne ich leider auch noch gar nicht

Und direkt im Anschluss daran der Song aus „Rent“ mit Roberta als Maureen und Ana als Joan – das war ganz großes Kino

Gleich nach dieser Glanznummer begann der Webber-Teil des Programms. Armin legte mit seinem „Gethsemane“ seinen beeindruckendsten Auftritt an diesem Abend hin – ich war wirklich hin und weg davon. Bei einigen Versionen, die ich von diesem Song schon gehört hatte, hatte ich den Eindruck, dass die Sänger es nicht schaffen, die verschiedenen emotionalen Extreme dieses Lieds überzeugend rüberzubringen und dabei trotzdem noch richtig gut zu singen – bei Armin hat das super geklappt! Hut ab, wenn er seine erste Solo-CD veröffentlicht, sollte dieser Song drauf

Der absolute Klassiker „Memory“ durfte natürlich auch nicht fehlen, und von Ana gesungen war er absolut bezaubernd, egal, wie oft man ihn schon gehört hat.
Die letzte Nummer im Webber-Teil war „Starlight Express“. Quatsch, es war nicht „Starlight Express“ - es war „Schdarlaid Expräss“. Der über 20-jährigen Tradition des Bochumer „Starlight Express“ nach wird in diesem Musical ja stets nur mit einem gewissen Akzent gesungen. In der Regel ist das ein amerikanischer oder britischer – muss es aber nicht sein. Es geht doch nichts über den fränkischen Dialekt. Also trugen alle vier „Schdarlaid Expräss“ auf Fränkisch vor. Das war einfach nur zum Brüllen komisch

Kaum hatten sich unsere Lachmuskeln ein wenig beruhigt, wurde mit „Sister Act“ ein neuer Angriff auf sie ausgeübt. Das Lied „Tief in mir“ hatte ich noch nie gehört, aber es hat mir wirklich gefallen. Thada (der die Rolle des Polizisten soweit ich weiß als Zweitbesetzung spielt) war einfach umwerfend – er hat wirklich komödiantisches Talent!
Die anderen beiden „Sister Act“-Lieder waren nicht aus dem Musical, sondern aus dem Film, und wurden von Ana großartig vorgetragen – allein schon ihre paillettenbestickte Nonnenkutte und die Afro-Perücke waren ein absoluter Hingucker! Erst rockte sie den Saal mit „I will follow him“, und danach durften wir alle wie eine Kirchengemeinde mitsingen bei „Oh happy day“. Hierzu kann ich nur sagen – warum spielt eigentlich Ana nicht Deloris im richtigen Musical? Sie macht das so fantastisch!
Zu guter Letzt entfachten die vier dann nochmal so richtig Party-Stimmung mit „Mamma Mia!“ und der anschließenden „Hair“-Zugabe.
Und ein ganz besonders süßes Souvenir (abgesehen von wirklich netten Unterhaltungen mit den Darstellern nach der Show




Fazit: „Franken goes Musical“ ist eine wundervolle kleine Show voller Glanzlichter, die ich jedem Franken wie auch jedem Musicalfan sehr ans Herz legen möchte. Schaut’s euch an, denn die Tour durch Süddeutschland geht ja gerade erst los und wird noch bis Juni unterwegs sein.
