Elisabeth
Colosseum Theater Essen – Sonntag, 01.03.2015, 18.30 Uhr
Ich habe vor meinem Showbesuch eine Kritik gelesen, die besagte, man könne das Musical wegen der tollen Cast gut besuchen. Und dem muss ich mich anschließen. Die Besetzung war durchweg überzeugend. Die Inszenierung ist allerdings Geschmackssache.
Im Programmheft ist mehrfach die Meinung zu lesen, dass die Geschichte Elisabeths zeitlos sei. Und für mich sieht die aktuelle Inszenierung als, als ob genau der Aspekt betont werden sollte. Die Kulissen bestehen aus einigen herein fahrenden Elementen, aber überwiegend aus Projektionen auf einem geschwungenen Hintergrund, dessen Teile sich wie Schleusen nach oben öffnen können. Zusammen mit der zweigeteilten Drehbühne ergibt dies fast alle Umbauten und Szenenwechsel: Tor auf, Bühnenelement und Darsteller rein, Tor zu, Szene spielen, am Ende Tor auf, (teils noch singend) Darsteller und Kulissen raus drehen, Tor wieder zu. Die größte Abwechslung besteht darin, ob sich das Tor links oder rechts zuerst öffnet. Im Laufe der Vorstellung wirkt dieses Schema doch recht durchschaubar bis langweilig. So war z.B. klar, dass Elisabeth und Franz Josef bei „Boote in der Nacht“ auf jeweils einem Drehkranz stehen, aneinander vorbei gedreht werden und mit den letzten Tönen wieder raus gedreht werden. Die seitlichen Abgänge wurden verhältnismäßig selten benutzt.
Die Projektionen sehen durchaus gut aus, wenn auch manchmal das Zeitlose zu sehr durchblitzt. So muss ich den Sinn des gelb-gold blinkenden Schachbretts am Anfang von „Wir oder Sie“ mit den verschmelzenden Feldern nicht ganz nachvollziehen können!? Im Laufe des Liedes wurde doch noch schwarz-weiß daraus.
Leider funktionieren nicht alle Maßnahmen mit den Projektionen nicht sonderlich gut. Negativ-Beispiel ist gleich am Anfang Elisabeths Artistik-Auftritt, der schlicht gar nicht zu sehen war. Was für ein Auftritt dieses Unglück beschert, bleibt ein Geheimnis der Inszenierung. Möge man es aus dem Text des Ensembles heraushören. Erst als alle aufkreischen, sieht man hinter der Projektionswand eine Puppe nach unten fallen. Im nächsten Moment fährt ein Tor hoch und der Tod steht dort mit Elisabeth auf den Armen. Och.
Die vorhandenen Kulissenteile waren meist spärlich eingesetzt. Eine Adler-Gondel deutete ein Riesenrad an, nach der Krönung in Ungarn stand ein Objekt da, dessen Bedeutung mir noch nicht erschließt, der Tod kam einmal in einer Art Boot, das mich etwas ans Phantom-Boot mit Flügel erinnerte. Später diente das gleiche Objekt auch als Bett des kleinen Rudolfs. (Bei so einem Bett hätte ich als kleiner Junge auch keine ruhige Nacht!) Ganz sinnlos war eigentlich der Wagen mit den vielen Koffern, auf dem Lucheni in Bad Ischl herein kam. Der Wagen verschwand sogleich wieder und wurde nicht mehr gesehen. Da wären an anderer Stelle mehr Kulissenteile netter gewesen.
Mit fahrenden Objekten hat´s die Inszenierung. Leider sind einige Motoren recht laut, was dann doch unangenehm auffällt. Zum Glück war dies nicht in der Caféhaus-Szene der Fall. Denn hier sitzen die Gäste auf „Autoskootern“, sprich: Bodenplatten mit dem Caféinventar drauf und kurven die ganze Zeit munter und durcheinander über die Bühne. Leider bekommt man vor lauter Kurven und Drehungen irgendwann nicht mehr mit, wer wann singt. Teils wird dies ausgeglichen, wenn die betreffende Person gerade vorne ist oder ggf. aufsteht, aber dies geschieht halt nicht durchgehend. Also hört man irgendwann nur noch hin und betrachtet das flotte Rumfahren – oder achtet lieber auf Lucheni, dessen Interaktionen deutlich interessanter und eindeutiger sind!
Insgesamt wirkt die Bühne doch recht leer. Daran ändern auch die verspiegelten Seitenwände nichts, die sich manchmal noch öffnen. Auch die sich immer wieder herabsenkende „Riesenfeile“, auf der meist Lucheni und der Tod agieren, hilft da nicht weiter. Tourneetauglichkeit hin oder her – dass es anders geht und man mehr Kulissenteile einsetzen kann, sieht man bei den Gästen aus Ungarn (DSudB). Bei Elisabeth wäre weniger Abstraktheit und Beschränkung auf Projektionen durchaus mehr gewesen. Bei allem Respekt für die Zeitlosigkeit, aber noch ein bisschen mehr davon und die Geschichte verliert ihre historische Seele.
Merkwürdig wirkt der Einfall, zu Beginn Lucheni als Puppe unter der Riesenfeile am Strick baumeln zu lassen, während der „echte“ Lucheni von der Seite kommt, sich selber abschneidet und im hohen Bogen in den Seitenabgang wirft. Zumal am Ende die Puppe nicht wieder zum Einsatz kommt. Statt dessen steht Lucheni auf der Riesenfeile und hält selber den Strick hoch. Dafür hätte man doch sicher einen runderen Zusammenhang finden können.
Die Idee, einen Trompeter das Ende der Krönung auf der Bühne spielen zu lassen, ist zwar nett, aber passt so gar nicht in den Zusammenhang.
Die Musik kommt schön schmissig und mit gutem Orchesterklang aus dem Orchestergraben. Es gibt zwar gleich drei Keyboards, aber auch mehrere echte Bläser und Streicher. Im Vergleich zu anderen Großproduktionen sitzt hier glatt ein richtiges Orchester.
Wenn das Publikum im ausverkauften Saal nach dem letzten Ton jubelnd aufspringt, dann dürfte dies zum allergrößten Teil an den Darstellern liegen. Diese schaffen es, die oft leere Bühne mit Leben zu füllen und ihre Rollen mit dem nötigen Anteil an historischem Bezug auszustatten. Eine durchweg fantastische Leistung! Hut ab!
Die Besetzung:
Elisabeth: Marle Martens
Mein erster Gedanke war: „Ui, ist sie aber jung!“, denn am Anfang des Stücks wirkt sie mit ihrem Spiel und dem Klang der Stimme wirklich wie ein Teenie. Das ändert sich im Laufe der Geschichte aber sehr. Sowohl das Repertoire der Mimik wird anders, als auch die Stimme. Ihre alte Elisabeth klingt wirklich deutlich älter und zunehmend verbitterter. Wunderschön, wie klar und nachvollziehbar sie alle Entwicklungen der Rolle verdeutlicht.
Der Tod: Mark Seibert
An Bühnenpräsenz mangelt es ihm definitiv nicht. Er zieht regelrecht die Blicke auf sich. Sein Tod ist teils charmant, teils aggressiv, mal cool, mal zärtlich und mal liebevoll. Je nach Situation setzt er diese unterschiedlichen Strategien ein, um an sein Ziel zu kommen. Dabei bleibt stets klar, warum er sich wie gibt und weshalb sich Elisabeth im Grunde zu ihm hingezogen fühlt.
(Für Insider: Ich bin mir allerdings nicht einig, ob nun der schwarze oder weiße Tod besser gesungen hat.)
Luigi Lucheni: Kurosch Abbasi
Der Unterhalter des Abends. Seine Späße mit dem Publikum sind nicht nur in der Caféhaus-Szene die Attraktion. Er gibt keinen Mörder, vor dem man Angst haben muss, sondern kommentiert auf einer zynischen Art, die sympathisch bleibt. Die vielen unterschiedlichen Betonungen und Stimmfärbungen, die er nutzt, um seine Meinung auszudrücken, machen seine Kommentare immer wieder auf´s Neue spannend. Von den kleinen schauspielerischen Ideen und Nuancen mal abgesehen. (Mann, hat der eine Zunge!)
Franz Joseph: Maximilian Mann
Rollenbedingt hat er nicht die große Chance, mit Kreativität aufzufallen. Trotzdem (?) ist immer nachvollziehbar, ob und warum er sich gemäß der Etikette verhält oder eben nicht. Bei ihm habe ich das Altern aber weniger im Spiel denn über die Maske wahrgenommen. Körperlich oder stimmlich fand ich die Entwicklung weniger deutlich als bei der Kaiserin.
Sophie: Angelika Wedekind
Sie schafft das Kunststück, konsequent und streng zu sein, dies aber so nachvollziehbar darzustellen, dass sie nie unsympathisch wirkt.
Kronprinz Rudolf: Thomas Hohler
Er spielt wirklich die „Fortsetzung“ des kleinen Rudolfs, dessen innere Zerrissenheit, Verzweiflung und schüchternes Wesen ihm immer wieder am Hofe im Weg steht. Dass er nie sein darf, wie sein Wesen ist, lässt er stets spüren.
Herzogin Ludovika / Frau Wolf: Caroline Sommer
Als Mutter die resolute Frau mit großen Plänen und Hoffnungen, als Bordellbetreiberin die Verführerin und Geschäftsfrau in einem. Beide unterschiedlichen Charaktere hat sie schön klar dargestellt.
Max in Bayern: Dennis Kozeluh
Sympathisch, warmherzig und lebensfroh. Seine wenigen Momente auf der Bühne nutzt er bestens, um seinen Charakter und seinen Bezug zu Elisabeth deutlich zu machen.
Rudolf als Kind: Jonathan Schmitt
Der Kleine wirkte wirklich etwas schüchtern, besonders beim Schlussapplaus, als Sophie ihn noch zum Winken ermuntern musste. Aber auch in den Spielszenen passte dies wunderbar.
Ensemble Damen:
Angelina Arnold, Juliane Bischoff, Sophie Blümel, Alixa Kalasz, Janne Marie Peters, Anouk Roolker, Lena Weiss, Larissa Windegger
Ensemble Herren: Jan Altenbockum, Fredrik Anderson, Christoph Apfelbeck, Krisha Dalke, Florian Fetterle, Kristian Lucas, Wolfgang Postlbauer, Thomas Weissengruber
Swings: Jenny Schlensker, Sebastian Brandmeir
Das gesamte Ensemble lieferte mit einer großen Spielfreude und mit exakt ausgeführten Choreografien eine sehr homogene Leistung. Die zwei einmal aneinander rumpelnden Schachbrett-Pferdchen waren glatt sympathisch.
Wenn es sich lohnt, die Produktion zu besuchen, dann wirklich wegen des hervorragenden Ensembles und wegen eines richtigen Orchesters. Die Inszenierung wird sicherlich nicht jeden Geschmack treffen. Wer moderne Optik mit vielen Projektionen mag, wird bestens bedient werden. Alle anderen werden eher mit der leeren Bühne und der sehr modernen Ausgestaltung ihre Schwierigkeiten haben.