
Genre: Drama
Warnung: Darkfic, Chara-Death!
Disclaimer: SE, Gregory Maguire...
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Zu spät
von Sisi
Elphaba wandte sich zum Fenster ihres Versteckes, als immer näher kommende wütende Schreie und Parolen an ihre Ohren drangen. Genau davor hatte sie Glinda zu warnen versucht. Das Volk von Oz forderte den Kopf der Hexe des Westens. Es wollte sie tot sehen. Welch ein Theater! Mit Sicherheit riefen jene am lautesten, deren Worte am wenigsten Gehalt hatten. Das war immer so.
„So endet es also“, murmelte sie. Ihre dunklen Augen, die immer so sanft gewesen waren, trafen jene strahlend blauen des Mädchens Dorothy. All der Zorn, den sie zuvor gefühlt hatte, war auf einmal nicht mehr in ihr. Sie war seltsam ruhig. Ein Paar Schuhe spielte im Angesicht dieser aufgebrachten Meute kaum eine Rolle. Selbst wenn es sich um die Zauberschuhe ihrer Schwester handelte. Durch ihre Schuld war bereits genug Schaden angerichtet, auch wenn sie niemals jemandem etwas Böses gewollt hatte. Nicht einmal denen, die ihr so oft im Leben weh getan hatten, weil sie anders war.
„Geh schon, bevor sie hier einfallen wie ein Hornissenschwarm.“ Sie schob das Mädchen hinaus ins Freie. Als sie es nicht mehr sehen konnte, schritt sie der tobenden Menge entgegen. Es gab nichts mehr, wofür es sich noch zu kämpfen lohnte. Sie hatte allen nur Unglück gebracht. Nessa. Fiyero. Glinda sollte nicht auch noch etwas Schreckliches widerfahren, deshalb hatte sie ihre einzige Freundin weggeschickt, auch wenn sie sie jetzt mehr denn je an ihrer Seite brauchte.
„Da ist die Hexe!“ rief eine hohe sich beinahe überschlagende Frauenstimme.
Die Meute war wie kochendes Wasser, das in einem Topf brodelte. „Auf sie! Tötet sie! Die Hexe muss sterben!“ gellten die Schreie weithin.
Elphaba erkannte an der Spitze eine metallisch schimmernde Gestalt wie eine Ritterrüstung. Langsam ging sie auf Boq zu. Ihre stoische Ruhe ließ die Umstehenden irritiert innehalten in ihren Hassparolen.
„Ich wollte dir nichts Böses…“, sagte sie zu ihm, als sie fast vor ihm stand. „Deinen Zorn kann ich verstehen. Aber ihr anderen, was habe ich euch denn getan? Ihr redet nur nach, was ihr hört. Oh bitte, das ist armselig. Wann lernt ihr endlich euch eine eigene Meinung zu bilden? Lernt mit eur…“
Sie stockte. Ihre Augen verdrehten sich seltsam, ein ersticktes Keuchen entkam ihr. Boq war auf sie zugetreten, und die Spitze eines Dolches, den er in der blechernen Hand hielt, bohrte sich tief in ihre Eingeweide. Warmes hellrotes Blut tränkte die Erde, als sie zusammen sackte.
„Neeeein!!“ Aus der Frauenstimme sprach blankes Entsetzen. Eine zierliche Gestalt mit blonden Locken bahnte sich mühsam ihren Weg durch die Menge, um neben der tödlich verwundeten Hexe auf die Knie zu sinken. „Elphie…“
Glinda starrte Boq vorwurfsvoll an. Ihre Worte galten jedoch nicht nur ihm. „Seid ihr nun zufrieden? Ihr habt ein Leben auf dem Gewissen! Egal was ihr Elphaba vorwerft, eine Mörderin ist sie nicht.“
Vorsichtig strich sie über die Wange ihrer Freundin. Sie fühlte sich eiskalt an. Das schwarze Kleid verbarg das fließende Blut fast ganz, doch auf Elphabas grüner Hand, die sie auf den rasend schmerzenden Leib gepresst hatte, erkannte man das Ausmaß von Boqs Dolchstich.
„Glinda… du b-bist hier...“ Mit der anderen Hand berührte sie jene ihrer Freundin, die warm und voller Leben war.
Die jüngere Frau nickte leicht. Die gaffende Ansammlung rund um den Blechmann beachtete sie längst nicht mehr. „Glaubst du, ich würde dich jetzt allein lassen?“
Ein kaum merkliches Lächeln erschien auf Elphabas Lippen. „Du w-warst die einzige F-Freundin, die ich je hatte…“
„Ich hatte viele, aber keine war mir so wertvoll wie du.“ Auch die Blondgelockte lächelte. „Du hast mir gezeigt, dass Freundschaft viel mehr ist, als nur Beliebtsein.“
Erst als ein unruhiges Raunen durch die Menge ging, erinnerte sich Glinda daran, dass sie von vielen Augenpaaren angegafft wurde. Jemand erkämpfte sich seinen Weg an den neugierigen Leuten vorbei.
„Lasst mich durch!“ schnaufte eine aufgebrachte Männerstimme. „Das ist mein Kind!“ Im nächsten Moment war es Frex gelungen zu den beiden Frauen vorzudringen. Der Verlust seiner jüngeren Tochter hatte ihn gebrochen. Und jetzt kniete er sich an die Seite seines im Sterben liegenden älteren Kindes. „Oh Oz… ich wollte doch nicht, dass es so endet.“
Die grünhäutige Hexe erkannte die Stimme und hob mit ihrer verbleibenden Kraft ein wenig den Kopf. „Vater… d-das b-ist… bist j-a… du.“ Das Sprechen fiel ihr immer schwerer. Ihr war eiskalt, sie zitterte heftig.
Frex zog sie vorsichtig in seine Arme. Das hatte er niemals getan, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, und sich am allermeisten nur ein wenig Liebe und Anerkennung gewünscht hatte.
„Das kommt reichlich spät, ich weiß es ja. Du hättest mich gebraucht, als du ein Kind warst, aber ich habe dich im Stich gelassen… aus falschem Stolz. Kannst du mir das jemals verzeihen?“
Sie brachte kein Nicken mehr zustande. Selbst das Offenhalten der Augenlider kostete sie viel Mühe. „D-das… ha-habe ich… i-ich sch-schon…“ Hilfesuchend klammerte sie sich an seinen warmen Körper. „M-mir i-ist… k-ka-kalt… alles w-wird… du-d-dunkel. I-ich habe… A-angst…“
Frex tat etwas, das er noch niemals für sie getan hatte, für Nessa jedoch sehr oft. Er sang leise ein Kinderlied. Seine raue, aber doch sanfte Stimme beruhigte Elphaba tatsächlich ein wenig. Dass er für sie sang, machte sie unglaublich glücklich. Mit diesem Gefühl in ihrem Herzen starb sie in seinen Armen.
Weil er sie nicht hier zurück lassen wollte, sondern sie an der Seite ihrer Schwester der dunklen Erde übergeben, hob er sie hoch. Wie ein Rachegott stand er da, mit seinem toten Kind auf den Armen. Elphabas Glieder hingen leblos herab, ihr langes schwarzes Haar wehte im Wind. Er hatte längst keine Tränen mehr, doch Glindas Wangen waren nass. Sie schämte sich nicht dafür.