So, hier mal wieder eine Fortsetzung... Das ganze ist heute Vormittag passiert und ich hoffe, es passiert was
Viel Spaß jedenfalls!
6. Kapitel
»Hey«, hörte ich eine Stimme, die aber nicht mir galt. Ich stand im Mädchenklo, wieder mal hinter verschlossener Kabinentür, nur um meine Ruhe zu haben.
Die Stimme gehörte zu einem Mädchen der Parallelklasse.
»Warum verbringst du eigentlich die ganze Pause auf dem Klo?«, fragte sie jemanden.
»Da kommt sie wenigstens fast nie hin«, kam die Antwort und ich erkannte die Stimme eines Mädchens aus meiner Klasse. »Da hat man seine Ruhe.«
»Was hat sie dir eigentlich getan?«, fragte Christina, das Mädchen aus der Parallelklasse.
»Nichts... Sie nervt schon durch ihre bloße Anwesenheit.« Das Mädchen aus meiner Klasse kicherte boshaft.
»Und wie die sich immer anzieht... Das ist doch echt scheiße!«
»Es ist vielleicht nicht modern, aber wenigstens passt es zu ihr«, verteidigte Christina mich. Ja, ich war sicher, dass sie über mich redeten. Über niemanden sonst würde jemand aus meiner Klasse so lästern.
»Soll das heißen, meine Klamotten passen nicht zu mir?«, kam sofort die herausfordernde Antwort.
»Das habe ich nicht gemeint«, seufzte Christina, klang aber leicht schuldbewusst. »Ich meine noch nur, dass...«
»Spar dir das!«
»Komm, sei doch nicht gleich beleidigt. Das war doch nicht böse gemeint. Ich will nur nicht hinter ihrem Rücken so über sie reden.«
»Wer sagt denn, dass es hinter ihrem Rücken ist? Vielleicht ist sie ja da... Hallo, Pferd, bist du hier?«, rief sie und bekam einen hysterischen Lachanfall.
Alles klar. Sie redeten über mich, definitiv. „Pferd“ war ein ungewollter Spitzname, den ich bekommen hatte, sobald jemand herausgefunden hatte, dass ich gern reiten ging. Früher, in der Grundschule, war ich wirklich pferdeverrückt und man konnte mit mir über fast nichts anderes reden.
Aber niemand sah, dass ich mich geändert habe. Natürlich mochte ich Pferde immer noch und habe das auch nie geleugnet, aber ich war auch über andere Dinge ansprechbar – was einige wohl nie verstanden haben.
Ich antwortete nicht auf ihre Frage und blieb einfach still stehen.
Wenig später hörte ich Schritte und dann fiel die Tür hinter beiden zu. Ich war wieder allein.
Der Gong durchbrach die Stille. Doppelstunde Mathematik. Ich konnte das jetzt nicht.
Ich ging zu meinem Lehrer.
»Herr Sauermann? Ich... Mir geht es nicht so gut. Kann ich ins Sekretariat gehen und mich befreien lassen?«
Mein Mathelehrer sah mich besorgt an.
»Sicher. Du bist auch ziemlich blass. Gute Besserung wünsche ich dir.«
»Danke.«
Im Sekretariat empfing mich die Sekretärin, Frau Moosburger.
»Wenn du dich befreien lassen willst, musst du vorher zu Hause anrufen, um sicherzustellen, dass jemand zu Hause ist. Das Telefon ist nebenan.«
Ich ging ins Nebenzimmer und wählte meine Nummer. Nach mehrmaligem Läuten meldete sich der Anrufbeantworter. Ich legte auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, und versuchte es bei meinem Vater auf dem Handy. Mailbox. Ich legte wieder auf und ging zurück ins Sekretariat.
»Es ist niemand zu Hause.«
»Dann kann ich leider nichts machen. Du darfst nicht nach Hause, wenn keiner da ist. Aber du siehst wirklich nicht gut aus... Geh doch rüber zu Frau Ehrbar ins Sanitätszimmer und leg dich ein bisschen hin. Du kannst es ja später nochmal versuchen.«
Ich wollte nur nach Hause, nickte aber gehorsam und ging ein Zimmer weiter.
Frau Ehrbar war etwas einfühlsamer als Frau Moosburger. Sie merkte sofort, dass etwas anderes nicht stimmte.
»Was ist los?«, wollte sie wissen.
Ich biss mir auf die Lippen und murmelte etwas von „Kopfschmerzen“.
Aber sie wusste es besser. Sie ließ mich hinlegen und schloss die Tür, dann setzte sie sich wieder zu mir und sah mich besorgt an. Ich fühlte, wie mir Tränen hochstiegen.
Verdammt. Nicht weinen, sagte ich mir, aber es half nichts.
»Was ist denn?«, wiederholte sie? »Hast du Schwierigkeiten? Noten? Lehrer? Oder dein Freund, oder eine Freundin?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Was dann? Ich sehe doch, dass irgendwas ist. Kann ich dir helfen?«
»Ich glaube nicht«, flüsterte ich. Laut zu sprechen traute ich mich nicht.
»Was ist es denn?«, beharrte sie.
Ich atmete tief durch.
»Es ist einfach... Meine Klasse«, berichtete ich stockend und versuchte, unauffällig ein paar Tränen wegzuwischen. Ich sollte jetzt wirklich nicht weinen, das war vollkommen übertrieben.
»Ich... Ich komme mit denen einfach nicht klar, ich habe keine Freunde dort... Und die Parallelklasse, die 9b, ist auch so schlimm. Alle ziehen sie immer über mich her und wollen mich ärgern und... Ich weiß einfach nicht, was ich falsch gemacht habe! Das geht jetzt schon so lange...«
Ich brach ab.
»Was machen sie denn?«, wollte Frau Ehrbar wissen. Es klang neutral, aber in ihren Augen stand Anteilnahme. Eine plötzliche Intuition sagte mir, dass sie genau wusste, wovon ich sprach.
»Sie... Naja, sie reden immer hinter meinem Rücken über mich, das habe ich vorhin erst wieder zufällig gehört... Und... Ich meine, das ist total kindisch, aber es nervt einfach, wenn die Jungs aus der Parallelklasse, sobald ich den Gang runtergehe, zur Seite springen und „Ih, die schon wieder“ rufen...«
»Die spinnen doch völlig!«, rief sie empört. Dann atmete sie einmal tief durch.
»Bleib erstmal hier, ja? Ich komme gleich wieder. Brauchst du noch irgendwas?«
»Nein, danke.«
Frau Ehrbar verließ den Raum und ich ließ mich auf den Rücken fallen. Mir liefen immer noch die Tränen über die Wangen und ich versuchte, mich endlich zu beruhigen. Das war mehr als lächerlich. Ich hatte schon viel Schlimmeres in meiner Schulzeit mitgemacht als so ein merkwürdiges Gespräch. Und trotzdem war genau jetzt das Maß voll.
Ich atmete tief durch, wischte mir die Tränen weg und putzte mir die Nase.
Ganz ruhig.
Ich hörte, wie die Tür aufging, und setzte mich auf, in der Erwartung, wieder Frau Ehrbar zu sehen. Aber – mir klappte vor Schreck der Mund auf – herein kam unsere Direktorin.
»So, dann erzähl mal«, sagte sie in einer ruhigen Stimme und ich wusste sofort, was sie meinte.
Ich erzählte ihr alles noch einmal, was ich schon Frau Ehrbar gesagt hatte.
Sie runzelte die Stirn.
»Wer macht das?«
»Die Jungs aus der 9b, und die aus meiner...«
»Und du bist in der...?«
»9a.«
»Könntest du mir sagen, wer genau?«
Ich zögerte. Natürlich wusste ich das, aber wenn ich Namen nannte, würden diejenigen bestraft werden. Und die Wut darüber wiederum an mir auslassen...
»Sag mir, wer das macht. Ich will doch nur helfen.«
Ich zögerte noch kurz, nannte aber dann einige Namen von Leuten, die mir besonders aufgefallen waren.
»Nun gut. Ich werde mir dafür eine Lösung überlegen. Es ist absolut unmöglich von denen, dich so fertigzumachen. Das wird aufhören, das verspreche ich dir.«
Ich war so erleichtert, dass ich beinahe wieder zu weinen anfing.
»Danke«, flüsterte ich.
»Gern. Das ist ja das mindeste. Wir werden mit diesen... „Scherzkeksen“ reden, und wenn es dann nicht aufhört, folgen eben Schulstrafen. Für so etwas können sie schnell einen Verweis bekommen, und wenn es dann immer noch nicht aufhört, kann ich sie auch der Schule verweisen. So etwas ist wirklich nicht fair von ihnen.«
»Ich weiß nicht, ob...« Ich zögerte. Was ich meinte, war schwer in Worte zu fassen. »Ich habe Angst, dass es womöglich noch schlimmer wird, wenn... wenn sie herausfinden, dass Sie das jetzt wissen.«
»Das wird nicht passieren. Sobald sie wieder davon anfangen, kommst du zu mir und sagst mir das, und dann folgen Strafen. Und bitte«, fügte sie hinzu, als sie meinen Gesichtsaudruck sah, »fühl dich deshalb nicht ungerecht. Alles, was du tust, ist, dich zu wehren, und das ist dein gutes Recht. Wir werden denen schön einheizen.«
Ich musste lächeln.
»Vielen Dank«, wiederholte ich leise.
Meine Direktorin lächelte freundlich und verließ das Zimmer. Ich atmete auf. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich jetzt nicht wieder geärgert – oder gemobbt, oder was auch immer – werden würde.
Und ich duck mich niemals wieder, nein, nie mehr...
Wieder atmete ich auf und lächelte erleichtert.
Jetzt war es endlich vorbei.
Vielleicht.