Inhalt: Wicked: Glinda erzählt Elphabas Geschichte
Genre: Drama, Freundschaft, Romantik
Disclaimer: SE, Gregory Maguire
Dedication: Für alle, die es lesen und für Sisi, weil sie schon so viele tolle Wicked-FFs geschrieben hat
Author's Note: Hier das erste Kapitel... Viel Spaß!
Warum?
Prolog
Langsam ging die Sonne auf im Lande Oz. Die Sonnenstrahlen tasteten sich über die Hügelspitzen und brachen durch die dichten Nebelschwaden der Nacht, bis sie sich schließlich auflösten.
Die Ozzianer erwachten nach und nach, traten vor ihre Haustür und streckten sich gähnend, wünschten Nachbarn einen guten Morgen – und zugleich sahen sich alle ängstlich um, ob auch ja die gefürchtete böse Westhexe nicht in der Nähe war. Manchmal, wenn etwas passiert war, das ihr nicht gefiel, wütete sie über dem Land ihrer Untertanen und verwüstete mit Magie das ganze Land. Nicht selten starben Leute dabei.
Aber heute war etwas anders. Die morgendliche Stille war zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ruhig und friedlich; die Sonnenstrahlen waren wieder willkommene Wärmespender und nicht länger ein verräterisches Licht, dass der Hexe den Weg zu ihren Opfern wies.
Und langsam, ganz langsam, breitete sich vom Schloss der Hexe her eine jubelnde Menge aus, die die Botschaft weitergaben, die sich wie ein Lauffeuer durch ganz Oz verbreitete: »Sie ist tot! Die böse Westhexe ist tot! Die böseste Hexe, die es je gab in Oz – sie ist wirklich tot!«
Jeder, der die Neuigkeit hörte, fragte erst ungläubig seine Nachbarn und Bekannten, ob es wirklich wahr war. Man konnte es einfach nicht glauben, dass der Terror vorbei sein sollte, den die Hexe zehn lange Jahre im Westen des Landes verbreitet hatte.
»Ja, ich habe es auch gehört, sie ist tot!«, versicherten die Leute einander aufgeregt, und das erregte Gemurmel schwoll zu dem Freudenschrei eines ganzen Landes an.
Plötzlich hielt einer der Ozzianer inne und zeigte auf den Himmel. Eine zweite Sonne schien ihnen entgegenzuschweben, aber das Licht entpuppte sich bei näherem Hinsehen als eine große, bunte Seifenblase.
»Glinda!«, jubelten die Menschen, als sie die gute Südhexe erkannten. »Glinda, ist es wahr? Ist sie wirklich tot?«
Glinda seufzte. »Ja.« Die Seifenblase setzte vorsichtig auf einem Hügel auf und zerplatzte. Glinda stand da.
»Die Arme... Sie war böse, sagten die Menschen, und sie blieb ihr Leben lang allein.«
»So ist das eben«, riefen einige Ozzianer unbarmherzig, »wer böse ist, muss es ein Leben lang bedauern. Niemand weint um böse Hexen!«
»Aber hört mir doch zu.« Glinda setzte sich auf einen kleinen Felsbrocken; einen der vielen, die in Elphabas Regierungszeit vom Himmel gefallen waren.
»Menschen werden nicht böse geboren. Sie wurde dazu gemacht. Niemand wollte sie, weil sie diese... ungewöhnliche Hautfarbe hatte. Sie war immer allein, auch bevor sie böse wurde.«
Die Ozzianer sahen Glinda erstaunt an. So kannte man sie gar nicht!
»Sie hatte schließlich auch einen Vater. Und eine Mutter. Wie wir alle auch. Und sie hatten ihre Geheimnisse. Wie wir alle auch...«
Glinda begann zu erzählen, was sie früher gemeinsam mit Elphaba über deren Kindheit herausgefunden hatte – und sie erzählte auch das, was sie Elphaba vorenthalten hatte, aus Angst, sie zu verletzen.
»Ihre Mutter hatte einen Liebhaber, der ihr damals, in einer Nacht, ein Getränk gab. Ein giftgrünes Getränk. Ich weiß bis heute nicht, warum er das tat; angeblich hilft es, sich zu entspannen. Und in der darauf folgenden Nacht wurde Elphaba gezeugt...«
Glinda sah ihr Volk an. Nein, sie verstanden nicht, worauf sie hinauswollte.
»Als Elphaba geboren wurde, war sie... Nun ja... anders. Sie war von Geburt an grün. Und niemand wollte sie haben. Ihr eigener Vater hat sie gehasst, ihre Mutter hat sich für sie geschämt. Es war nie leicht für sie. Liebe, Verständnis, Anteilnahme – alles, was eure Kinder von Geburt an ganz selbstverständlich bekamen – haben ihr ihre Eltern nie gegeben. Sie hat es sich so gewünscht. So lang. Bis...«
Glinda verstummte und verlor sich in Erinnerung. Fiyero... Ihr Streit... Und der schreckliche Irrtum... Das alles war ihre Schuld gewesen, nicht Elphabas.
»Ich will davon nichts hören!«, rief einer der Ozzianer. »Sie hat so viel Böses getan. Das ist unentschuldbar! Und ich weiß, dass du immer das Gute in den Menschen siehst, Glinda, aber in ihr war nichts Gutes. Sie war nicht einmal wirklich menschlich!«
Mehrere Ozzianer stimmten dem Sprecher murmelnd zu.
»Aber begreift ihr denn nicht?« Glinda war entsetzt. »Sie hatte ein schweres Leben. Niemand hat sie je gewollt in ihrer Kindheit!«
»Niemand weint um böse Hexen!«, begannen einige wieder zu rufen. Als sie merkten, dass Glinda die einzige war, die auf Elphabas Seite stand, wurden sie weit mutiger und schrieen Glindas Stimme nieder. Sie begannen wieder zu feiern.
»Die Bösen bleiben allein... Merkt euch, Kinder, werdet niemals böse, oder ihr sterbt so einsam wie die böse Westhexe. Und niemand wird je um euch trauern!«
Glinda sprang auf. Sie konnte nicht glauben, was sie sah. Elphaba hatte vollkommen Recht gehabt – die Ozzianer waren mehr als stur.
»Wisst ihr denn nicht... Wollt ihr nicht wissen...?« Glinda war den Tränen nahe.
Doch niemand hörte ihr zu; niemand konnte sie hören. Die anderen waren viel zu laut.
»Niemand weint um Hexen!«