Ein Lächeln schenken

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Sisi Silberträne
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Ein Lächeln schenken

Beitragvon Sisi Silberträne » 04.03.2009, 21:43:07

Inhalt: mal etwas anderes, ich kann nicht nur Vollblut-Drama schreiben ;) Das Ficlet soll das tun, was in seinem Titel steht...

Genre: Silence

Disclaimer: die Dame gehört natürlich nur sich selbst!

~~~~~~~~~~


Ein Lächeln schenken

von Sisi


Gemächlich schritt eine schlanke Frau durch das schneebedeckte schmiedeiserne Tor des Parks. Hier begann eine andere Welt, selbst der Lärm der Autos auf der Straße schien gedämpft zu sein. Das neue Jahr steckte noch in den Kinderschuhen und in der vergangenen Nacht hatte es diesen Winter das erste Mal geschneit. Das Gras und die Bäume waren in eine dicke weiße Decke gehüllt, wie weiche Watte oder die Wolken am Sommerhimmel. Jetzt aber zeigte sich kein Schimmer strahlenden Blaus, alles war so grau wie sich die Gestalt fühlte, die langsam durch den Schnee stapfte. Müde wirkte sie und schmal trotz der gefütterten Jacke. Der eisige Wind fuhr durch ihre dunklen Locken, ihre Nasenspitze und ihre Wangen waren gerötet.
Wieder einmal dachte Pia über das Leben nach, Zweifel zerrüttelten sie, ob sie noch dem richtigen Weg folgte, oder von ihm abgekommen war, um sich in Nebeln und Schatten zu verirren. An diesem Nachmittag hatte sie eine Autogrammstunde vor sich. Wie oft würde sie ihren Namen auf verschiedene Dinge schreiben, die man ihr entgegen hielt? Hundert Mal? All diese Leute, die dann nacheinander vor ihr standen, wussten nichts von ihr. Eine Stimme in einem Lied, dafür wurde sie geliebt und manchmal sogar verehrt. Das Gefühl vor einer unüberwindbaren Mauer angelangt zu sein, wurde immer intensiver. Es ließen sich keine Steine heraus brechen, um hindurch zu kriechen und wenn sie versuchte darüber hinweg zu klettern, würde sie fallen. Aber vielleicht war es auch genau das, was sie tun musste. Im Versuch zu fliegen in den Abgrund stürzen und auf den Aufschlag zu warten, der alles beendete.

„Na du, warum bist du so traurig?“ sagte ganz plötzlich eine sanfte Stimme in ihrer Nähe. Erstaunt sah sich nach demjenigen um, der sie angesprochen hatte, doch sie konnte niemanden entdecken. In kaum zwei Metern Entfernung hockte nur eine Krähe vor ihr auf dem Weg. Der Vogel blickte sie aus intelligenten Augen an, aber er konnte unmöglich gesprochen haben. Als sie einen Schritt auf das Tier zuging, flatterte es mit einem harschen Schrei davon, ließ sich auf dem knorrigen blattlosen Ast eines nahen Baumes nieder und spähte von dort zu ihr herunter.
Hinter dem Stamm der Linde trat auf einmal das eigenartigste Geschöpf hervor, das Pia jemals gesehen hatte. Es war ein kleiner Bär mit zottigem braunem Fell, großen sanften Augen und einem Herznäschen. Sein Bauch war weiß wie Schnee, mit einem herzförmigen Abzeichen.
„Hallo“, sagte der Bär und Pia wusste sofort, dass es seine Stimme gewesen war, die sie vorhin gehört hatte.
„Wer bist du?“ fragte sie ungläubig.
Das Geschöpf lächelte. „Ich bin so etwas wie ein guter Geist und komme zu dir, weil du mich brauchst.“
Unsicher musterte sie das Wesen, das ihr vage vertraut erschien, wie aus einem lange vergangenen Traum. „Besuchst du normalerweise nicht nur Kinder?“
„Aber du bist ein Kind.“ Der Bär griff nach ihrer Hand und führte sie in die Wiese zu einem steinernen Becken. Das Wasser in der Vogeltränke war gefroren und im Eis konnte Pia ihr Gesicht sehen. Es war das des zwölfjährigen Mädchens, das sie vor vielen Jahren gewesen war.
Voller Erstaunen betrachtete sie ihr eigenes Abbild. „Das ist nicht möglich… Ich muss träumen! Bin ich eingenickt?“
„Um dir das zu beantworten, bin ich nicht hier.“
Pia wollte etwas erwidern, doch sie hielt inne, als die dumpfen Schläge einer Kirchenglocke erklangen. Sie erblasste, als es sechzehn Uhr schlug. „Ah! In einer halben Stunde beginnt die Autogrammstunde, ich muss mich beeilen!“
Das kleine Geschöpf nickte. „Ja, das solltest du wirklich.“

Während Pia durch die Gassen rannte, wurde ihr klar, dass die Welt um sie herum tatsächlich viel größer war, denn sie war kleiner. Konnte ein Kind Autogramme geben, anstatt der Frau, die alle erwarteten? Atemlos erreichte sie schließlich den Platz, an dem die Promotion stattfinden sollte, doch sie kam spät, viele Leute drängten sich bereits um den Tisch. Offensichtlich saß dort jemand, doch Pia vermochte nicht zu erkennen, wer es war. Sie war zu klein. Neben ihr stand immer noch das Bärchen, von dem niemand Notiz zu nehmen schien.
„Stell dich zu den anderen Kindern“, sagte es sanft und wies auf drei zwölf- oder dreizehnjährige Mädchen in ihrer Nähe.
Pia wusste nicht wieso, aber sie tat es und während sie dem Gespräch der Kinder lauschte, aufgeregt wie sie waren, gleich ihrem Star gegenüber zu stehen, entstand auch in ihr dieses warme erwartungsvolle Gefühl. Aber wer würde die Autogramme geben, wenn sie hier in der Menge stand? Die Menge bewegte sich unendlich langsam vorwärts, es erschien ihr wie Stunden, die sie wartete bis endlich die drei anderen Mädchen vor den Tisch traten. Jetzt konnte sie endlich sehen wer dort saß, mit einem Silberstift in der Hand und immer wieder seinen Namen schrieb.
Ein Gesicht blickte ihr flüchtig entgegen, das ihr so vertraut war, weil sie es jeden Morgen im Spiegel sah. Ein Paar himmelblauer Augen richtete sich auf das Mädchen mit dem langen braunen Zopf, das vor ihr stand.
„Hallo“, sagte dieses schüchtern. „Für Lisa bitte.“
Aufmerksam beobachtete Pia, wie ihr erwachsenes Selbst schwungvoll die Autogrammkarte beschrieb und sie dem Kind reichte.
„Danke!“ strahlte Lisa mit der Karte wie einen Schatz in den Händen. Sie trat schnell zur Seite, um dem nächsten in der Reihe Platz zu machen. Pia sah den drei Kindern nach, wie sie einander ihre stolz ihre Errungenschaften präsentierten. Für das Lächeln in diesen Gesichtern war sie verantwortlich.
„Du bist die nächste“, sagte da eine Stimme, die sie kannte, wenn es auch seltsam war, sie auf diese Weise zu hören. „Na, wie heißt du?“
Verblüfft starrte Pia ihr älteres Selbst an. „Pia…“
Die Erwachsene auf der anderen Seite des Tisches sah von der Autogrammkarte auf, die sie im Begriff war zu beschriften. „Oh, genauso wie ich. Für Pia. Alles Liebe, Pia. Hier bitteschön!“
Pia nahm die Karte entgegen und hauchte einen Dank. Bevor sie den nächsten hinter ihr Platz machte, warf sie noch einen letzten Blick auf die schmale Frau mit den dunklen Locken. Sie entdeckte auch noch einmal die drei Mädchen, die vor ihr in der Reihe gestanden waren, und die um die Wette grinsten.

„Lass uns gehen.“
Den kleinen Bären hatte sie schon fast vergessen gehabt, doch er war immer noch da und nahm sie bei der Hand, um sie von den anderen Leuten wegzuführen.
„Das war unglaublich“, sagte Pia ehrfurchtsvoll. „Wie kann ich hier und gleichzeitig dort sein? Die anderen Mädchen haben sich so gefreut…“
„Ja, und zwar deinetwegen. Daran musst du immer denken.“
Pia betrachtete nachdenklich die Autogrammkarte. „Ich habe mich auch gefreut, glaube ich. Und ich war so aufgeregt!“
Der Bär nickte leicht. „Das solltest du auch.“ Seine Tatzen griffen behutsam nach ihren Händen, die sich durch das flauschige Fell sofort erwärmten. „Ich muss jetzt gehen. Leb wohl.“ Als er sie wieder losließ, hielt sie ein kleines Herz zwischen den Fingern, das genauso aussah, wie das auf dem Bauch des kleinen Wesens vor ihr.
Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber das Bärchen war verschwunden. Urplötzlich fühlte sie sich so müde, die Augen fielen ihr zu.

Eisiger Wind strich ihr um die Nase, sodass sie wieder aufsah. Verschneite Bäume ragten um sie herum auf, sie saß im Park auf einer Bank und fror entsetzlich. Sie musste eingenickt sein, dabei konnte sie sich nicht erinnern sich hingesetzt zu haben. Welch einen verrückten Traum sie gehabt hatte! Ein kleiner Bär hatte sie besucht und sie war wieder ein Kind gewesen. Erst jetzt bemerkte sie, dass sich ihre eisigen Finger fest um zwei Gegenstände schlossen, eine Autogrammkarte von sich selbst und ein kleines Herz, das sich sonderbar warm anfühlte, fast als würde es leben. Erstaunt betrachtete sie die die beiden Dinge. Das war einfach unmöglich! Oder? Irgendwo schlug die Kirchenglocke sechzehn Uhr und sie sprang so hastig auf, dass sie beinahe ausgerutscht wäre. Sie musste sich auf den Weg zu ihrer Autogrammstunde machen.
Bald darauf saß Pia hinter dem Tisch und schrieb unermüdlich ihren Namen auf die Karten, während die Gesichter wechselten. Vor ein paar Stunden noch war ihr diese Tätigkeit sinnlos erschienen, dachte sie, als ein Mädchen mit langem braunen Zopf sie aus großen erwartungsvollen Augen anstrahlte, während sie erneut den Silberstift über das Papier gleiten ließ. Doch was sie dafür erhielt, war nichts weniger als der schönste Lohn der Welt. Ein Lächeln. Sie machte die Leute glücklich, und das nicht nur, wenn sie auf der Bühne sang. Fast hatte sie es vergessen, aber jetzt erinnerte sie sich wieder daran. Es war ihre Gabe.
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Re: Ein Lächeln schenken

Beitragvon Kitti » 04.03.2009, 21:53:15

Juhu, ich bin die erste Leserin, die diese tolle Geschichte kommentieren darf. :D Ich stelle also fest, dass die Drama-Queen auch mal anders kann und das gefällt mir sehr gut. Sehr schöne, märchenhafte Ideen und ein Ende, das Optimismus verbreitet. :)
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Re: Ein Lächeln schenken

Beitragvon Coco » 05.03.2009, 16:35:37

Das muss ich Kitti zustimmen.
Hätte a schon gar nicht mehr daran gedacht, dass die Drama-Queen noch eine andere Seite hat :mrgreen: :-p
Gefällt mir sehr sehr gut :D

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Re: Ein Lächeln schenken

Beitragvon *~Cappy~* » 05.03.2009, 23:34:23

Wirklich sehr schön geschrieben Sisi! Die Geschichte hat etwas leichtes,traumhaftes.Einfach wundervoll zu lesen. :P
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Re: Ein Lächeln schenken

Beitragvon Elphaba » 06.03.2009, 02:25:06

Da kann ich mich meinen Vorgängerinnen nur anschließen! :)

Wunder wunderschön! Und so erfrischend anders! :D

Ich denke, der echten Pia würde die Geschichte auch gefallen! :)
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Re: Ein Lächeln schenken

Beitragvon *~Cappy~* » 06.03.2009, 16:34:14

Elphaba hat geschrieben:

Ich denke, der echten Pia würde die Geschichte auch gefallen! :)


Ja vielleicht solltest du ihr die mal geben.Ich denke sie würde uns verstehen. :P
Und gefallen würde sie ihr sowieso.
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Re: Ein Lächeln schenken

Beitragvon Gaefa » 31.03.2009, 16:38:05

Auch das ist eine wirklich tolle Geschichte und sie schenkt auch den Lesern ein Lächeln, echt klasse! Gefällt mir gut und ist wie immer toll geschrieben :D
~*Niemand nimmt mir meine Träume und schließt meine Sehnsucht ein, wo es Liebe gab und Freiheit wird mein Herz für immer sein*~


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