Danke Ich lass euch nicht zu lange warten, ich war grade so kreativ
19. Kapitel: So viele Träume starben...
Als ich erwachte, lag ich in einem seltsamen Raum. Die Kopfschmerzen beeinflussten immer noch mein Denkvermögen, aber langsam wurde mir klar, dass es sich um ein Krankenhaus handeln musste. Ich lag in einem schmalen, unbequemen Bett mit schneeweißen Laken. Auch die Wände waren strahlend weiß und die Fensterbänke waren kahl und leer – keine Blumen, keine Vorhänge. Die einzigen Möbel waren einige Plastikstühle an einem kleinen, weißen Tisch und ein – natürlich ebenfalls weißer – schmaler Schrank in einer Ecke.
Außerdem stand direkt neben meinem Bett ein riesiger Kasten voller Kabel und Knöpfe und einem Monitor, der Diagramme aufzeichnete; vermutlich meinen Herzschlag und meine Atmung, wie ich es in einigen Krankenhaus-Serien im Fernsehen gesehen hatte.
Irgendetwas an diesem Ding gab ständig ein anstrengendes Piepen von sich, sodass ich schon nach wenigen Minuten vollkommen genervt war.
Ich sah mich weiter in dem kleinen Zimmer um.
Es war bis auf die wenigen Möbel leer; ich war allein.
Ich verzog das Gesicht. Bisher war ich nie in einem Krankenhaus gewesen – außer, um Leute zu besuchen –, aber nach allem, was ich so kannte, müssten eigentlich Dutzende besorgte Leute um mein Bett sitzen und sich freuen, dass ich endlich wieder wach wurde.
Fehlanzeige.
So beliebt war ich wohl nicht... Ich versuchte, mich zu erinnern, was passiert war, aber ich konnte mich an nichts erinnern, seit mir im Tanzsaal schwindlig geworden war.
Ich sah aus dem Fenster und setzte mich mit einem Schlag auf. Die Sonne stand ziemlich tief. Im Tanzsaal war es fast Mittag gewesen...
Ich wusste nicht, ob mein Zimmer nach Osten oder nach Westen zeigte, aber ich konnte davon ausgehen, mindestens ein paar Stunden bewusstlos gewesen zu sein.
Ich hoffte inständig, dass es nicht morgens war. In diesem Moment öffnete sich die Zimmertür und ich ließ mich beinahe reflexartig auf das Bett zurückfallen.
Skurrilerweise erinnerte mich das an früher, als ich mit acht oder neun Jahren noch heimlich im Bett meine Kopfhörer angeschaltet und dann versucht hatte, quasi Playback-singend meine Mimik in verschiedenen Musicalsongs zu perfektionieren.
Vom Schauspielerischen her hatte mir das damals viel gebracht, aber ich hörte stundenlang Musik und war am nächsten Tag oft so müde, dass meine Schulleistungen schwer darunter zu leiden hatten.
Später wurde es besser – ich legte diese Angewohnheit zwar bis ich 16 oder 17 war, nicht ab, aber ich lernte, mit weniger Schlaf auszukommen.
Ich hatte immer versucht, sofort so zu tun, als würde ich schlafen, wenn meine Mutter die Zimmertür öffnete, aber meistens hatte sie mich ertappt. Das lag, wie sie erklärte, nicht an der Lautstärke meiner Kopfhörer, sondern daran, dass ich für ein schlafendes Kind zu selbstbewusst, frech oder traurig aussah – je nach Lied.
Jetzt öffnete sich auch eine Tür, während ich im Bett lag, aber ich schloss die Augen nicht; schließlich wollte ich wissen, wer es war.
»Rike!«
Anna kreischte es beinahe, rannte quer durch den Raum zu mir und warf die Arme um mich, sobald ich mich wieder halb aufgesetzt hatte. »Endlich bist du wieder wach, ich hab mir solche Sorgen gemacht. Du sahst beinahe aus wie tot, wie du im Saal lagst, so blass und bewegungslos... Ich habe ja gesagt, du sollst dich befreien lassen und zu einem Arzt gehen. Warum hast du nur nicht auf mich gehört?«, sprudelte es aus ihr heraus.
»Immer mit der Ruhe, Anna«, unterbrach ich sie schließlich besänftigend. »Es geht mir gut – na ja, abgesehen von den Kopfschmerzen und der Tatsache, dass du mir die Luft abdrückst«, fügte ich leicht lächelnd hinzu und sie ließ mich sofort schuldbewusst los.
»Tut mir Leid. Ich hatte nur solche Angst um dich. Du bist einfach nicht aufgewacht – all die Tage... Du kannst dir nicht vorstellen, wie es war, zum Unterricht zu gehen, als wäre nichts gewesen, und dein Platz war leer... Wir haben uns alle um dich gesorgt und haben gehofft, dass du wieder aufwachst...«
»All die Tage??«, unterbrach ich sie entsetzt. »Wie lange war ich denn...?«
»Fast eine Woche.«
»Oh Gott«, murmelte ich tonlos. »So lang?«
»Es war schrecklich«, erwiderte Anna. »ich bin so froh, dass du wieder wach bist... Ich darf dich eigentlich nicht sehen, weil ich keine Familienangehörige bin, und du warst immer bewusstlos. Aber ich habe mich einfach reingeschlichen, schließlich wusste ich deine Zimmernummer und –«
»Woher denn?«, unterbrach ich sie erstaunt. Sie lachte verlegen. »Na ja, also, ich hab versucht, mit dem Typ am Empfang ein bisschen zu flirten... Hat ganz gut geklappt und er hat mir die Nummer verraten. Und seitdem gehe ich einfach immer hier rein, wenn ich sehe, dass der Arzt gerade da war und wohl so schneller nicht wieder–« Sie unterbrach sich, als sich die Türklinke herunterdrückte. »Scheiße«, flüsterte Anna und stellte sich auf die andere Seite meines Bettes, um sich hinter dem riesigen Kontrollkasten zu verstecken.
Sie schaffte es gerade noch rechtzeitig, bevor der Arzt ins Zimmer trat, mir einen guten Tag wünschte und sich vorstellte. »Guten Tag. Ich sehe, Sie sind wieder wach? Das ist gut. Ich bin Dr. Olbricht, ich werde Sie in der Zeit, die Sie hier sind, behandeln.«
Ich erwiderte seinen Händedruck, wenn auch etwas schwach.
»Für die Zeit, die ich hier bin?«,wiederholte ich. »Wie lange muss ich denn dableiben?«
»Sie bleiben einige Tage zur Beobachtung. Sie sind nicht sehr krank, nur überanstrengt; Sie haben sich in letzter Zeit zu stark verausgabt. Und außerdem – Wer sind
Sie denn?«
Dr. Olbricht sah Anna verwundert an. Sie hatte gerade versucht, sich hinter seinem Rücken nach draußen zu schleichen, aber kurz vor der Tür hatte der Arzt sie bemerkt.
»Wer, ich?« Anna lachte etwas gekünstelt. »Ich, ich bin... Ihre Cousine. Ich hatte sie gerade besucht.«
»Ich habe sie gar nicht bemerkt«, erwiderte Dr. Olbricht stirnrunzelnd.
»Ich saß auf den Stühlen da... Nun ja, aber bei Ihrer Untersuchung will ich natürlich nicht stören. Auf Wiedersehen, Herr Doktor...«
Und schon war sie verschwunden. Ich verkniff mir ein Grinsen. Diese Ausrede war typisch Anna!
Dr. Olbricht seufzte und wandte sich mir zu. »Entschuldigen Sie bitte. Wo war ich noch gleich?«
»Sie wollten mir sagen, was mir fehlt«, erinnerte ich ihn.
»Ja, richtig. Nun, zunächst, wie gesagt, haben Sie sich stark überanstrengt. Sie hatten einigen Schlafmangel und haben viel gearbeitet; durch das viele Tanzen auch körperlich. Außerdem haben Sie die letzten Wochen wenig gegessen, sodass Ihrem Körper einige Nährstoffe gefehlt haben, vor allem Vitamine. Das ist nicht gut für Sie gewesen... Ihr Körper hat sich quasi selbst eine Ruhepause verordnet«, erklärte der Arzt. »Sie werden jetzt hier bleiben, bis sich alles wieder normalisiert hat. Wir müssen Sie eine Weile beobachten – vor allem in Ihrem Zustand ist so eine Überanstrengung möglicherweise schädlich.«
»In meinem Zustand?« Ich hob die Augenbrauen. »Was für ein Zustand? Ich hatte die letzten Wochen nur viel Stress, sonst geht es mir bestens.«
Sie wussten das noch gar nicht?«, fragte Dr. Olbricht entgeistert.
»Was denn?«
Langsam ärgerte ich mich, dem Arzt jedes Wort aus der Nase ziehen zu müssen.
»Frau Müller, Sie bekommen ein Kind.«