Diesmal etwas ganz kurzes, zu dem mich ein Buch inspiriert hat, das ich gestern angefangen habe zu lesen.
Vorsicht, traurig! Hoffe es gefällt euch trotzdem.
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Ich hab geträumt vor langer Zeit...
Gedankenverloren stand sie vor dem Fenster und schaute hinaus in die nebelverhangene Nacht. Kaum dreißig Tage war es her, da war ihr Leben noch von Sonnenschein erfüllt gewesen. Sie war voller Hoffnung gewesen, dass bald alles wieder besser sein würde, wieder alles seine gewohnten Bahnen verlaufen würde. Nie hätte sie damit gerechnet, dass es so enden würde.
Nun glich ihr Leben jener nebelverhangenen Nacht, die draußen vor ihrem Fenster lauerte und ihre Seele vollständig umschließen wollte. Am liebsten hätte sie sich ihr hingegeben. Was brachte ihr dieses Leben denn noch? Doch hätte er es gewollt? Hätte er gewollt, dass sie ihr Leben hinschmiss und sich einfach treiben ließ?
Sie spürte eine kleine Träne, die einsam über ihre Wange lief und sich schließlich verlor. Warum konnte nicht einfach alles so sein, wie es früher gewesen war? Sie waren glücklich gewesen. Ja, glücklicher als manch andere Leute in ihrem Alter. Er hatte sein Leben genossen, hatte keinen Tag von einem dunklen Schatten verdecken lassen. Heute war ihr klar, warum er voller Freude in jeden Tag hinein gelebt hatte und keine längerfristigen Pläne gemacht hatte. Er hatte gewusst was ihm bevorstehen würde. Hatte es akzeptiert, um mit sich und der Welt im Reinen zu sein, wenn es soweit war. Perfekt hatte er es fast bis zum Schluss vor ihr geheimgehalten, weil er geahnt hatte, dass der freie Fall für sie so noch viel länger gewesen wäre.
Sie hatte so viele Träume gehabt. Träume die sie nur mit ihm verwirklichen konnte. Wenn sie an die Zukunft gedacht hatte, war er in jedem ihrer farbenfrohen Bilder aufgetaucht. Doch das einzige was ihr von ihm geblieben war, waren Fotos, die den Beginn ihres großen Traumes für immer festgehalten hatten. Warum hatte dieser Traum so plötzlich enden müssen? Warum war ihnen keine Zukunft beschert gewesen, so wie andere Menschen sie bekamen?
In ihrem Kopf schwirrten so viele Fragen, die ihr niemand beantworten konnte, denn der einzige Mensch, der sie ihr hätte beantworten können, war nicht mehr.
Für einen kurzen Moment noch verlor sich ihr Blick in der Ferne und ihre Hand schloss sich fester um den Brief, den sie nun schon einige Male gelesen hatte.
Mein Schatz,
wenn du diese Zeilen liest, werde ich schon nicht mehr hier sein. Ich weiß wie du dir unsere Zukunft vorgestellt hast. Bitte verfolge deine, nein, unsere Wege auch weiterhin. Ich werde immer in deinem Herzen sein und dir folgen. Lebe dein Leben!
Erinnerst du dich noch, als du sagtest, dass du für mich einen Fallschirmsprung wagen würdest? Tu es! Ich weiß du würdest es bereuen, wenn du es nicht machen würdest. Tu es für mich, für uns.
Ich werde dich immer lieben und in deinem Herzen leben, doch versprich mir, dass du auch Platz für einen neuen Menschen lässt, der dein Leben wieder erhellen wird.
Irgendwann werden wir uns wiedersehen.
Noch einmal glitt ihr Blick über die geschwungene Handschrift, die ihr so vertraut war, bevor er an ihrem Körper hinabwanderte. Ja, sie würde weiterleben. Für ihn und ihr gemeinsames Kind, von dem er nichts geahnt hatte...