Freut mich, wenn es dich freut
Hier ist auch schon der nächste Teil.
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Zusammen unter einem Schirm wurde der Spaziergang durch den Regen fortgesetzt – der allerdings immer stärker wurde. „Der Himmel weint vor Freude“, wiederholte Sisi ihren Ausspruch von vorhin, „aber irgendwie glaub ich das nicht ganz, der bricht eher in Tränen aus als wäre er verzweifelt…“
Eigentlich war das alles andere als ernst gemeint, im gleichen Moment durchfuhr es sie allerdings wie ein Blitzschlag:
Ist das etwa meine kleine Sophie, die das von da oben alles mitbekommt und traurig ist?! Bin ich gerade dabei, mit diesem Ausflug einen großen Fehler zu machen?!
Erschreckt über ihren eigenen Gedanken blieb sie stehen.
„Was ist los, Erzsébet?“
- „Gar nichts“, hatte sich Sisi sofort wieder gefasst, bemerkte aber sehr wohl, wie er sie angesprochen hatte. „Ich musste nur gerade an Sophie denken… Was machen wir eigentlich jetzt?! Das wird ein Wolkenbruch, der Rückweg ist viel zu weit… und weit und breit nichts, wo man sich unterstellen kann“
„Jedenfalls soweit Ihr es wisst.“ bemerkte Andrássy mit einem Schmunzeln.
- „Ach stimmt, ich kenne mich hier in der Gegend noch nicht so gut aus… Was meinen Sie? Wo ist der Platz, den Sie meinen?“ – „Gar nicht mal so weit weg. Wir sollten uns beeilen dahin zu kommen, bevor das Wetter noch schlimmer wird.“
„Viel schlimmer kann es fast nicht mehr…“ werden, wollte Sisi sagen, aber da erhellte auch schon ein Blitz den wolkenverhangenen Himmel. „Herrschaftszeiten nochmal!“ rief sie aus.
Andrássy klang ziemlich gleichgültig.
„Wie gesagt, wir sollten uns beeilen. Am besten, wir rennen.“ – „WAS?!“
Sisi verstand die Welt nicht mehr.
„Ich dachte, Ihr seid eine gute Läuferin, kaiserliche Hoheit. Und das könnt Ihr jetzt unter Beweis stellen. Ist doch besser, als hier noch lange herumzudiskutieren und zu warten, bevor der Blitz irgendwo einschlägt.“
Da hatte er natürlich wieder einmal Recht, aber er wartete ihre Antwort gar nicht mehr ab sondern begann loszulaufen. Sisi begann die Verfolgung aufzunehmen. Es war fast wie früher in Possenhofen, als sie quer durch den Wald gelaufen war und bei Regen versucht hatte, so schnell es ging nach Hause zu kommen.
Sie wusste nicht, wie lange sie gelaufen waren, als sie plötzlich eine Waldhütte erreichten.
„So, da wären wir. Hier sind wir sicher, bis das Wetter sich wieder beruhigt hat. War während der Revolution ein gutes Versteck, inzwischen ist es aber eher ein Rückzugsort, von dem keiner weiß.“
Sisi blieb wie angewurzelt stehen. Dass sie dabei vor Regen nass wurde, weil Andrássy immer noch den Sonnenschirm hatte, war ihr auf einmal vollkommen gleichgültig. Irgendwie hatte sie plötzlich ein seltsames Gefühl. Ein Versteck während der Revolution? Ein Ort, von dem keiner wusste?!
Was hat er vor?!
fragte sie sich und dachte im ersten Moment nur das Schlimmste, nämlich dass er sie dort einsperren würde um Franz Joseph und überhaupt ganz Österreich damit zu erpressen, in den von ihm und ganz Ungarn lang ersehnten Ausgleich einzuwilligen. Das Todesurteil war damals bestimmt nicht vollkommen grundlos ausgesprochen worden
Halt, was denk ich denn?! erschrak sie über sich selbst. Wo kamen denn auf einmal dieser Zweifel und diese Unsicherheit her? Sie erinnerte sich zurück an den glücklichen Abend in Debrezin. Er war ihr nach draußen gefolgt und hatte ihr gestanden, dass er sich in sie verliebt hatte. Wenn er es nicht ernst meinte sondern in Wirklichkeit ein finsteres Ziel wie ihre Entführung im Sinn hatte, dann hätte er es doch schon längst in die Tat umsetzen können…
Andererseits war seit ihrer Rückkehr nach Budapest alles schon etwas merkwürdig.
„Ich … liebe Euch, Majestät!“ hatte er zu ihr gesagt. Und „es mag zwar absurd sein, aber das ändert nichts daran, dass es nun einmal stimmt…“ Weiter: „Uns verbindet irgendetwas, das stärker ist als das Zeremoniell und die Verbindung zu deinem Mann – dass du bei ihm bleibst, ist nur das Pflichtbewusstsein…“ Und zu guter Letzt: „Das Schicksal wollte, dass ich dir begegne. Du machst es dir nur unnötig schwer.“
Alle Distanz zwischen ihnen war an diesem Abend aufgehoben worden. Das Zeremoniell hatte nicht mehr weitergeholfen, sie hatte sich in dieser Situation einfach von ihren Gefühlen leiten lassen. Am Abend zuvor war es genauso gewesen. Warum war er jetzt wieder so förmlich? Was dachte er wirklich über sie? War sie die Kaiserin von Österreich und mögliche Königin von Ungarn… oder… !?