Genre: Romantik, Silent
Rating: P12 (vorerst), Slash-Warnung
A/N: gut, hier ist also die Geschichte zu dem Titelbild! Die Figuren werden übrigens namenlos bleiben. Ich würd mich sehr über Leser und Kommentare freuen

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Was war das?
von Sisi
Ohne dich sein
ganz ohne dich
und langsam
zu vergessen beginnen
wie es mit dir war
ganz mit dir
und dann halb
halb mit und halb ohne
und ganz zuletzt
ganz ohne
(Erich Fried)
Mit dem kitzelnden Gefühl gespannter Erwartung betrat ich das Theater. Der Wind fuhr erneut durch meine widerspenstigen dunklen Locken, ehe ich die Tür hinter mir schloss. Es würde für die große Jubiläumsgala die erste Probe vor Ort sein und ich freute mich auf altbekannte Gesichter, die ich teilweise vor Jahren zum letzten Mal gesehen hatte. Besonders auf eins, doch ich war nicht sicher wie die Begegnung mit ihr nach all der Zeit ausfallen würde. Früher waren wir einander sehr nah gewesen, aber jetzt war davon nur noch eine schöne Erinnerung geblieben, kaum mehr als ein Traum. Ihr nun wieder an dem Ort zu begegnen, wo einst alles begonnen hatte, war unbeschreiblich, ich wollte jeden Moment davon nicht nur durchleben, sondern mit all meinen Sinnen erleben.
Drinnen traf ich auf die ersten paar Kollegen, darunter mein bester Freund, der mich sofort herzlich begrüßte. Dann sah ich sie. Eine schlanke hochgewachsene Gestalt mit dunkelbraunem kinnlangem Haar, das ein schmales Gesicht umrahmte. Noch hatte sie mich nicht entdeckt, ihre Augen waren halb geschlossen, offenbarten nur einen Schimmer ihrer jadegrünen Farbe. Ein rosiger Ton überzog ihre Wangen und ein paar freche Haarsträhnen hingen ihr in die Stirn. Die Jahre hatten sie nicht nur reifer gemacht, sondern auch schöner. Mit einem Mal öffnete sie die Augen, unsere Blicke trafen sich. Ihr Mund formte sich zu jenem erfrischenden Lächeln, das ich an ihr vom ersten Moment an geliebt hatte.
„Es ist schön dich zu sehen“, sagte ich leise und begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange. „Du siehst gut aus, die Ehe scheint dir zu bekommen.“
Sie nickte leicht. „Im Normalfall kann ich mich nicht beklagen. Und du? Wie ist es dir über die Jahre ergangen?“
Als diese unglaublich grünen Augen mich erfassten, mich festhielten mit der reinen Intensität ihres Blickes, hatte ich das Gefühl in ihnen zu ertrinken wie im kristallklaren Wasser eines Waldsees. Jetzt wo ich sie sah, strahlend schön wie das pure Leben, wurde mir stärker denn je bewusst, was die Zeit aus mir selbst gemacht hatte. Obwohl ich nur zwei Jahre älter war, hätten die Unterschiede zwischen uns nicht größer sein können. Die vielen Tage der Einsamkeit nagten an mir wie ein wildes Tier an seiner Beute. Ich war blass und mager, versuchte beides mit entsprechender Schminke und Kleidung zu kaschieren, was nicht immer gelingen wollte. Meine tiefblauen Augen blickten mir stets glanzlos aus dem Spiegel entgegen, nur selten konnte etwas das Leuchten von früher in ihnen erwecken.
„Weilst du noch unter uns?“
Ihre Stimme holte mich in die Gegenwart zurück. Sie legte mir die Hand auf den Arm, um auf sich aufmerksam zu machen. Diese nebensächliche Geste entfachte sofort ein Feuer in mir.
„Ja… Ich dachte gerade an früher“, antwortete ich rasch, versuchte das jäh aufbegehrende Verlangen danach zu unterdrücken, diese unglaublich zärtlichen liebevollen Hände wieder auf meiner Haut zu spüren.
Sie nahm mich bei der Hand und zog mich mit sich, aus der Hörweite der anderen Darsteller. „Du hast mir gefehlt. Unsere langen Gespräche am Telefon…“ Als sie mit einem beinahe verträumten Blick inne hielt, zog ich die Stirn kraus. Sie lächelte.
Ich dachte jäh an den Moment unserer ersten Begegnung. Gesehen hatten wir einander freilich schon davor, schließlich spielten wir am gleichen Theater. Mir war das Glück hold gewesen, ich hatte eine der größeren Rollen bekommen, während sie dem Ensemble angehörte und auch meine Zweitbesetzung war. Beide waren wir jung und aufstrebend, bereit nach den Sternen zu greifen. Einmal kam ich in den Probenraum, als sie sich gerade für die Vorstellung aufwärmte. Sie sang die Ballade meiner Rolle. Natürlich hatte ich das Lied schon oft von anderen Sängern gehört, auch in verschiedenen Sprachen, doch nie zuvor von ihr. Obwohl wir uns fast jeden Abend sahen, hatten wir bisher nie viel Kontakt gehabt, wir waren keine Freundinnen. Vielleicht war die Konkurrenz zwischen uns einfach zu groß. Ihre warme Stimme berührte mich, als sie mit voller Hingabe das Lied sang.
Mijn droom zo anders dan de hel
Waarin ik ben gedoemd te leven
Waarin geen enkele hoop
Meer gloort
Het leven heeft
Mijn droom vermoord
Schweigend lauschte ich ihren Worten, bis der letzte Ton verklungen war. Sie hatte mich die ganze Zeit über nicht bemerkt in ihrer Konzentration, aber jetzt trafen sich unsere Blicke für einen Moment. Es schien ihr unangenehm zu sein, dass ich ihr zugehört hatte. Die Worte lagen mir auf der Zunge, doch sie rauschte an mir vorbei, ehe ich sie aussprechen konnte.